Ein Schaden ist passiert und es passiert … erst einmal nichts. Nach der Schadenmeldung beginnt für viele Versicherte das Warten, Hoffen und Bangen, während der Versicherer sämtliche Schadenpositionen genauestens unter die Lupe nimmt, einige akzeptiert, andere ablehnt.
Detaillierte Schadenprüfungen sind in der Branche heute mehrfach Standard. Einige Gesellschaften prüfen inhouse, andere beauftragen eine externe Fachfirma. Diese Vorgehensweise hat für geschädigte Kundinnen und Kunden oft einen bitteren Beigeschmack,
- weil die kritische Prüfung unter Umständen die Regulierungsdauer über Gebühr in der Länge zieht;
- weil der Versicherer im Rahmen des Prüfverfahrens oft viele Nachfragen hat – auch über kleinste Details;
- weil gewohnte Abläufe – etwa bisherige Partner wie Handwerkerfirmen – auf den Prüfstand kommen;
- weil die geforderte Entschädigung im Ergebnis womöglich ganz oder teilweise gekürzt WIRD.
All dies kann für Unmut bei den Geschädigten und anderen Betroffenen, z. B. Reparaturfirmen, sorgen. Für Versicherungskundinnen und -kunden mitunter ein Geduldsspiel, eröffnet die Detailprüfung dem Versicherer jedoch die Möglichkeit, Einsparpotenziale zu finden. Bestenfalls führt sie dazu,
- die Zahlung überhöhter Rechnungen zu vermeiden;
- keine unnötigen Arbeiten im Auftrag zu geben;
- Aufwand für nicht schadenbedingte Maßnahmen zu kürzen;
- die Beiträge künftig nicht erhöhen zu müssen.
Besonders bitter für geschädigte Kundinnen und Kunden ist es, wenn die Prüfung am Ende tatsächlich Leistungskürzungen zur Folge hat. Um zu vermeiden, dass Sie im Schadenfall auf Kosten sitzen bleiben, raten wir Ihnen, bei anfallenden Reparaturen nicht automatisch auf „den bewährten Handwerker vor Ort“ zurückzugreifen, sondern stets mehrere Angebote einzuholen und zu vergleichen. Fallen größere Arbeiten an, kann es zudem sinnvoll sein, den Versicherer vor Auftragserteilung um Freigabe eines Angebots zu ersuchen.
Im Schadenfall ist es mitunter hilfreich, sich in „die Denke“ von Versicherern hineinzuversetzen, um zu wissen, worauf es ihnen bei der Regulierung ankommt. Im Folgenden sind einige Prüfinhalte zusammengestellt, wie sie in verschiedenen Versicherungssparten üblich sind.
Sachversicherung, Gebäudeversicherung, Inventarversicherung – Sachschäden
Geht eine versicherte Sache zu Bruch, tun viele Betroffene den Fall vorschnell als Totalschaden ab. Aber Achtung: Sieht der Versicherer das anders, drohen Leistungskürzungen wegen Obliegenheitsverletzung. Denn Versicherungsnehmende sind rechtlich zur Schadenminderung verpflichtet (§ 82 Versicherungsvertragsgesetz – VVG).
Sind – beispielsweise nach einem Einbruch – Verschrammungen, Flecken, Kratzer oder ähnliches an Türen, Fenstern, Fußböden, Möbeln, Badearmaturen usw. zu beklagen, sollten Kundinnen und Kunden wissen, dass manche Schäden, auch wenn sie auf den ersten Blick irreparabel erscheinen, mit speziellen Reparaturverfahren doch noch zu beheben sind. Zahlreiche, teils bundesweit tätige Fachfirmen bieten solche Reparaturen an (z. B. Wärmeverfahren).
Wer eine beschädigte Sache reparieren lässt, kann zudem neben den Reparaturkosten gegebenenfalls auch die Wertminderung beim Versicherer geltend machen.
Gebäude-Sturm-/Hagelversicherung – Sturm- oder Hagelschäden
Bei Gebäudeschäden durch ein Sturm- oder Hagelereignis kann der Versicherer z. B. prüfen (lassen), ob die eingeschaltete Handwerkerfirma (z. B. Dachdeckerfirma) alle Positionen korrekt berechnet hat. Zugrundegelegt wird dabei der Zustand des beschädigten Gebäudeteils (z. B. Dach) vor Schadeneintritt.
Ein Beispiel: Wurden etwa beschädigte Dachpfannen am Gebäude ausgetauscht und bei der Reparatur Sturmklammern verwendet, die vor dem Schaden nicht vorhanden waren, kann der Versicherer die Kosten für diese in Abzug bringen.
Ebenfalls nicht akzeptiert werden überteuerte Reparaturrechnungen bzw. -kostenvoranschläge. Als Richtlinien für einen angemessenen Preis greifen Versicherer bzw. externe Prüffirmen in der Regel auf den vom Hersteller empfohlenen Kaufpreis des beschädigten Gewerks und auf Montageempfehlungen der zuständigen Innung (z. B. Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerkes – ZVDH) zurück.
Übersteigt das Angebot einer von Kundenseite beauftragten Handwerkerfirma den Richtwert, kürzt der Versicherer die geforderte Leistung möglicherweise um die errechnete Differenz.
Wohngebäudeversicherung, Hausratversicherung – Schäden durch Blitz
Versicherer, die externe Expertise zu Rate ziehen wollen, greifen zur Prüfung von (vermeintlichen) Blitzschäden auf Fachfirmen zurück, die eine so genannte „Blitzauskunft“ anbieten. Die beschädigten Gegenstände werden dabei einer kritischen Betrachtung unterzogen, um zu klären, ob tatsächlich eine blitzbedingte Überspannung die Beschädigungen hervorgerufen hat oder ob gebenenfalls auch andere Einwirkursachen möglich sind. Ist Letzteres der Fall, kann sich der Versicherer auch auf Ausschlüsse berufen.
Kaskoversicherung – Kfz-Schäden
Die Kfz-Kaskoversicherung prüft beispielsweise die Materialpreise und die Stundenlöhne in Kfz-Werkstätten. Einige Kaskoverträge beinhalten Vorgaben über Stundenlöhne (Wortlaut beispielhaft: „im Falle einer vollständigen und fachgerechten Reparatur Erstattung der erforderlichen Kosten, im Falle einer Abrechnung nach Kostenvoranschlag oder Gutachten die Erstattung der mittleren ortsüblichen Stundenverrechnungssätze“).
Viele Versicherer stehen in Kontakt zu einem Kfz-Werkstattnetz, auf das im Versicherungsfall zurückgegriffen werden kann. Ein solches Netz bietet Versicherern günstige Konditionen, etwa preiswerte Reparaturen, kurze Wege, günstige Stundensätze, Wegfall von Zuschlägen etc.
Aber auch Versicherungskundinnen und -kunden profitieren in vielen Fällen. Die Vereinbarungen zwischen Versicherer und Netz-Werkstätten können beispielsweise beinhalten, dass für die Zeit der Reparatur kostenlos ein Mietwagen zur Verfügung gestellt wird oder dass bei Inanspruchnahme des Netzes die Selbstbeteiligung reduziert wird. Zudem bieten die Werkstätten in der Regel Garantieleistungen an und versprechen, Qualitätsstandards einzuhalten.
Oft liegt es im Ermessen der Versicherten, die Netz-Werkstätten ihres Versicherers zu nutzen. Es sei denn, der Kaskoversicherungsvertrag schreibt dies ausdrücklich vor; dann gilt die Inanspruchnahme einer der ausgewählten Werkstätten als Obliegenheit, die Kundinnen und Kunden zu befolgen haben. Wenn nicht, droht womöglich Leistungsfreiheit des Versicherers – komplett oder zum Teil.
Aber auch wenn keine vertragliche Regelung existiert, ist es – zumindest theoretisch – erwünscht, dass Versicherungsnehmende „die Weisung des Versicherers zur Benutzung einer guten und preisgünstigen Reparaturmöglichkeit … nutzen. Die Weisung muss zumutbar sein und unverzüglich erteilt werden“ (aus einem Fachkommentar von Tretsch, Wolf-Dietrich, „Der Kraftfahrzeug-Kasko-Schaden“, Seite 99, 1989).
Haftpflichtversicherung – Kfz-Schäden
Bei einem (Kfz-)Haftpflichtschaden sind die Geschädigten zum einen zur Schadenminderung verpflichtet (§ 254 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Zum anderen müssen sie den Umfang ihres Schadens beweisen. Wer seine Forderungen zu hoch ansetzt, hat am Ende mitunter das Nachsehen.
Wie in der Kfz-Kaskoversicherung prüft auch der Kfz-Haftpflichtversicherer Materialpreise und Stundenlöhne. Wenn der Kostenvoranschlag für Verbringungskosten von der Werkstatt zum Lackierer aus seiner Sicht zu hoch ist oder wenn die Werkstatt für Ersatzteile mehr als die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers verlangt, wird die Versicherung voraussichtlich Abzüge vornehmen.
Sind die Stundenlöhne in einer Markenwerkstatt höher als üblich, werden sie – so die allgemeine Rechtsprechung – in der Regel nur akzeptiert, wenn das beschädigte Kfz maximal drei Jahre alt ist (gerechnet ab Erstzulassung). Bei Kostenvoranschlägen bzw. Gutachten für ältere Fahrzeuge kann der Versicherer auf die Preise einer günstigeren freien Kfz-Werkstatt verweisen (BGH, VersR 2003, Seite 920; BGH, R+s 2013, Seite 358).
Haftpflichtversicherung – Ermittlung des Zeitwertes
Besonders im Technikbereich greifen Versicherer auf Auskunftsdienste und deren Dateien zurück, um den aktuellen Gebrauchtwert von Gegenständen zu ermitteln zu können. Die dort genannten niedrigen Werte finden nicht immer die Zustimmung der Geschädigten.