Worauf muss ein verantwortlicher Aufsteller unbedingt achten, wenn er kurzfristig ein Verkehrsoder Baustellenschild im Straßenbereich platziert? Darüber haben sich die Versicherungsfachleute Andreas Berger und Uwe Klöpping Gedanken gemacht, denn Baustellen im öffentlichen Verkehrsraum benötigen immer eine verkehrsrechtliche Anordnung und müssen dieser entsprechend vor Ort beschildert, markiert und abgesperrt werden.
Wind, Wetter, Standort
Die Gefahr, dass ein vorübergehend aufgestelltes Schild umfällt und dabei Personen oder Sachen wie etwa geparkte Fahrzeuge beschädigt, hängt im Besonderen von den Wetter- und Windverhältnissen ab. Um die Kraft zu ermitteln, die das Schild insgesamt standhalten muss, hat der verantwortliche Aufsteller Folgendes zu bedenken (Arbeitsgericht Wiesbaden, Urteil vom 02.04.2014, 93 C 6143/10):
- die auf die Schildfläche wirkende Windlast,
- die Montagehöhe des Schildes (Hebelwirkung)
- Größe/Fläche des Schildes (Hebelwirkung).
Zu sind außerdem Fragen des Standortes, der Erkennbarkeit und der Beachtung für Fußgänger (z. B. infolge Platzmangels).
Klare Regelungen
Als Orientierung finden sich technische Hinweise ua in folgenden Regelungen:
- die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV StVO), z. B. §§ 39 bis 45
- die ZTV-SA 97 (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen an Straßen), z. B.Nr. 6.2.4
- die RSA 95 (Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen), z. B.Nr. 2
Als allgemeiner Grundsatz gilt § 823 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB): „Wer vorsätzlich oder fahrlässig das . . . Eigentum eines anderen widerrechtlich verletzten, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“
Entscheidend für ein vermutetes – vorsätzliches oder fahrlässiges – Fehlverhalten ist somit, dass dieses beim Aufstellen des Schildes vermeidbar war.
Notwendige Vorkehrungen
Wie kann nun geprüft werden, ob das Schild mangelhaft bzw. fehlerhaft aufgestellt wurde? In diesem Zusammenhang wird das Thema „Verkehrssicherungspflicht“ relevant. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu in diversen Urteilen dargelegt, dass derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden.
Konkret meint der BGH damit Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren – und die ihm dabei den Umständen entsprechend als Maßnahmen zuzumuten sind. Besonders eigenartige oder entfernt liegende Umstände sind nicht zu berücksichtigen (BGH Urteil 06.02.2007, NJW 2007, Seite 1683 – VI ZR 274/05).
Dabei sollen z. B. sämtliche Maßnahmen ergriffen werden, die bei lebens - naher Betrachtung notwendig erschei - nen (AG Wiesbaden 02.04.2014 – 93 C 6143/10).
Zusammengefasst heißt das: Nur wenn das Aufstellen des Schildes so erfolgte, dass alle notwendigen und zumutbaren sowie ausreichenden Vorkehrungen aus dem Blickwinkel eines umsichtigen und vernünftigen Menschen getroffen worden sind, trifft den Aufsteller kein Verschulden. Einige Gerichtsentscheidungen:
- Wetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes, auch vor Böen, sind laut Arbeitsgericht (AG) Wiesbaden der Allgemeinheit zugänglich, z. B. über das Internet. So bestehe grundsätzlich eine Verpflichtung für den Aufsteller, sich bei fühlbar starkem Wind über die zu erwartenden Böen zu informieren. Es genüge eine Windbewegung, die das Herumfliegen von Schildern möglich erscheinen lässt (15.05.2008, 92 C 4538/97-28).
- Das AG Berlin-Köpenick hat gefordert, dass an stark windigen Tagen mit Sturm- und Orkanböen eine zweimalige tägliche Kontrolle nicht ausreichend sei und weitere Kontrollen und Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssten (15.09.1988 – 9 C 55/98).
- Dem Landgericht (LG) Heidelberg genügt die tägliche Kontrolle, sofern sich lediglich ein einzelner Windstoß bemerkbar macht (VersR 1986, Seite 351).
Werden Verkehrsschilder z. B. anlässlich von Bauarbeiten nur vorübergehend an Straßen aufgestellt (ohne feste Montage in der Erde), sind diverse Verordnungen zu beachten. Gefordert wird hier u. a. eine Standsicherheit, z. B. ein Gewicht von mindestens zwei Platten (2 x 28 kg) auf dem Fuß. Als Windlast müssen Schilder innerorts einen Druck vom mindestens 0,25 kN/m2 aushalten. Daneben können die jeweiligen Gemeindeoder Ortssatzungen bzw. die Polizeiverordnung der betroffenen Stadt/Gemeinde im Einzelfall abweichende Regelungen vorsehen. Vor allem: Der Bauunternehmer muss vorgeschriebene Kontrollen regelmäßig durchführen!
Schadensfälle begutachtet
Grundsätzlich sind zwar durch den Bauunternehmer verursachte Sach- und Personenschäden an der Baustelle über eine gute Betriebshaftpflichtversicherung versichert. Allerdings sind dabei zwei Kriterien zu bedenken: Zum Einen muss ein schuldhaftes – also mindestens fahrlässiges – Verhalten des Bauunternehmers gegeben sein. Zum Anderen können aber bereits grob fahrlässige Versäumnisse zu Problemen mit dem Versicherungsschutz führen. Jeder wird deswegen sicherlich kritisch begutachtet. Dieses bedeutet aber auch, dass der Bauunternehmer in der Regel nicht haftet, wenn er alles Notwendige – gemäß den einschlägigen Vorschriften – getan hat. In diesem Fall dürfte ein vorausgehendes Verschulden nicht gegeben sein.
Der Autor ist Versicherungsmakler bei der Middelberg GmbH.