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Versicherungsschutz bei Arbeitsunfall


Trotz stetig steigender Sicherheitsanforderungen im handwerklichen Berufsalltag kommt es leider immer wieder zu Unfällen am Bau. Dies ist schon tragisch genug und keiner wünscht sich ein solches Szenario. Doch was ist, wenn dem Unternehmer – nach erfolgreicher Behandlung des verunglückten Mitarbeiters – plötzlich eine Zahlungsaufforderung der Berufsgenossenschaft in nicht unerheblicher Höhe zugeht? Haftet der Unternehmer für den Betriebsunfall und muss er zahlen? Zahlt eventuell die Betriebshaftpfichtversicherung?

Arbeitsunfälle und ihre Folgen, verbunden mit möglichen Regressansprüchen der Sozialversicherungsträger, sind Themen, mit denen sich der Betrieb und in erster Linie der „Chef“ auseinandersetzen muss. Dabei ist die grundlegende Haftungssituation beim Arbeitsunfall und die Frage der versicherungsrechtlichen Absicherung von entscheidender Bedeutung.

Im Schadenersatzrecht und damit auch für die Versicherer in der Haftpflichtversicherung von grundlegender Bedeutung sind dabei die Regelungen im Sozialgesetzbuch (SGB) VII. Im vierten Kapitel (§§ 104 ff) wird dort die zivilrechtliche Haftung von bestimmten Personen bei Arbeitsunfällen eingeschlossen bzw.  ausgeschlossen. Das SGB VII ist zum 01.01.1997 als Nachfolgegesetz der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Kraft getreten und regelt nunmehr die gesetzliche Unfallversicherung. Generell gilt, dass das bisherige Recht gemäß RVO weitergeführt wird. Ebenfalls gelten Grundsätze aus der bisherigen Rechtsprechung zur RVO auch in entsprechender Anwendung der neuen Bestimmungen nach dem SGB VII weiter.


Zur besseren Veranschaulichung nachfolgend ein Fallbeispiel:

Der Mitarbeiter eines Gerüstbaubetriebes arbeitet ohne Gurt (PSAgA), also ungesichert, auf der obersten Lage des Gerüstes. Er stürzt aus acht Metern ab und zieht sich dabei schwere Verletzungen zu. Die zuständige Berufsgenossenschaft (BG) macht gegen den Vorarbeiter und den Geschäftsführer Regressansprüche in Höhe von 45.000 Euro wegen grob fahrlässiger Verstöße gegen BG-Vorschriften geltend. Das angerufene Gericht bestätigt den Anspruch und verurteilt den Vorarbeiter, weil er seinen Kollegen ohne Sicherung arbeiten ließ. Der Geschäftsführer wurde verurteilt, obwohl er Sicherungsgurte angeschafft und auch ausgegeben hatte. Auch hatte er zwar angewiesen die Gurte anzulegen, es aber versäumt, sich zu vergewissern, dass seine Anweisungen auch befolgt werden.


Wie stellt sich die rechtliche Situation dar?

  • Während direkte Ansprüche des Geschädigten gegen seinen „Chef“ oder seine Kollegen nur bei Vorsatz (Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges) möglich sind, haftet der Unternehmer der BG gegenüber bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit, und zwar für alles, was die BG nach Gesetz oder Satzung infolge des Arbeitsunfalls aufwenden muss. Dabei bedeutet grobe Fahrlässigkeit: die im Verkehr erforderliche Sorgfalt ist in besonders schwerem Maße verletzt worden. D. h. dass der Unternehmer nur bei einem besonders krassen und subjektiv schlechthin unentschuldbaren Fehlverhaltens verpflichtet ist, der BG die Aufwendungen für den Arbeitsunfall zu erstatten.
  • In einem zu obigem Beispiel ähnlich gelagerten Fall, hat das OLG Köln so entschieden. 
  • Für die Betriebsangehörigen und leitenden Angestellten gelten dabei die gleichen Haftungsregelungen wie für den Unternehmer.


Wie verhält sich hierzu die Betriebshaftpflichtversicherung des Gerüstbaubetriebes?

  • Direkte Ansprüche des Geschädigten fallen nicht unter den Versicherungsschutz, da diese nur bei einer vorsätzlichen Tat möglich sind (s. o.) und vorsätzliches Handeln innerhalb einer Haftpflichtversicherung grundsätzlich ausgeschlossen ist.
  • Für Regressansprüche der BG besteht für den Unternehmer innerhalb der Betriebshaftpflichtversicherung in der Regel Versicherungsschutz soweit ihn kein Vorsatz trifft. Grobe Fahrlässigkeit ist aus Versicherungssicht regelmäßig noch gedeckt. Erst dann, wenn der Unternehmer den rechtswidrigen Erfolg – also die Verletzung des Mitarbeiters – billigend in Kauf genommen hat (sogenannter Bedingter Vorsatz) bekommt er Probleme mit seiner betrieblichen Haftpflichtversicherung. Die Abgrenzung von grob fahrlässigem Verhalten (Deckungsschutz in der Regel ja) zu bedingtem Vorsatz (Deckungsschutz in der Regel nein) kann daher bei Arbeitsunfällen zu erheblichen Streitigkeiten führen. Die gleichen Kriterien gelten für die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens und solcher Personen, die er zur Leitung oder Beaufsichtigung des versicherten Betriebes oder eines Teiles desselben angestellt hat in dieser Eigenschaft (sogenannte Repräsentanten). Darunter fallen auch die sogenannten Beauftragten.
  • Somit dürfte im Beispielsfall der Regressanspruch der BG gegen den Vorarbeiter und gegen den Geschäftsführer über die Betriebshaftpflichtversicherung des Betriebes bei den meisten Versicherern gedeckt sein.
  • Anders verhält es sich bei „normalen“ Mitarbeitern. Bei Regressansprüchen der BG gegen „normale“ Betriebsangehörige aus Anlass eines Betriebsunfalles besteht in der Regel kein Versicherungsschutz. Die Besonderen Bedingungen und Erläuterungen zu den jeweiligen Betriebshaftpflichtversicherungen sehen in der Regel einen entsprechenden Ausschluss vor.


Abwandlung

Wie verhält sich der Sachverhalt, wenn ein vorbeigehender Passant (auf dem Weg zur Arbeit) durch herunterfallende Teile verletzt wird? Auch dessen BG nimmt Regress in Höhe von 10.000 Euro gegenüber dem Vorarbeiter und gegenüber dem Geschäftsführer.

  • Bei Verletzung eines Dritten (Nichtbetriebsangehöriger) haftet der Schädiger nach den allgemeinen gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen (Verschulden = mindestens fahrlässig). Dies gilt sowohl für den Unternehmer, für seine Repräsentanten (Führungskräfte, Vorarbeiter etc.) sowie für alle Betriebsangehörigen.
  • Soweit die BG in einem derartigen Fall dem Geschädigten Leistungen zu gewähren hat, gehen diese auf die BG über. Das bedeutet, dass der Verletzte insoweit, als er Leistungen von der BG erhält, keine eigenen Ansprüche gegen den Schädiger geltend machen kann. Die BG tritt hinsichtlich der erbrachten Leistungen an die Stelle des Geschädigten. Das bedeutet, dass der BG alle Einwendungen entgegengehalten werden können (z. B. Mitverschulden), die auch dem geschädigten Dritten gegenüber erhoben werden können.
  • Für die Regressansprüche der BG besteht sowohl hinsichtlich des Unternehmers als auch aller Betriebsangehörigen im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung und deren Deckungssumme („Personenschäden“) im gleichem Umfang Versicherungsschutz wie für die direkten Ansprüche des geschädigten Dritten.


Fazit:

Bei Verletzung eines Nichtbetriebsangehörigen besteht in der Regel für den Unternehmer als auch für die Mitarbeiter Versicherungsschutz im Rahmen der Betriebshaftpflichtversicherung und zwar in gleichem Umfang wie sie der Geschädigte selbst hätte. Bei Verletzung eines eigenen Mitarbeiters sind Ansprüche des
Mitarbeiters gegen seinen „Chef“ oder „Kollegen“ nur bei Vorsatz, Regressansprüche der Sozialversicherungsträger gegen den „Chef“ oder „Kollegen“ schon bei grober Fahrlässigkeit möglich. Unternehmer und Mitarbeiter haften bei Regressforderungen der BG zwar (s. o.), innerhalb der Betriebshaftpflichtversicherung wird jedoch in der Regel Versicherungsschutz nur für den Unternehmer und „Repräsentanten“ gewährt.

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